Anfang Juni wurde die aktualisierte Studie „Ladeinfrastruktur nach 2025/2030: Szenarien für den Markthochlauf“ von der Nationalen Leitstelle Ladeinfrastruktur veröffentlicht. Der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) kritisiert die Schätzung des Bundesverkehrsministeriums über den Bedarf an öffentlicher Ladeinfrastruktur bis 2030 als stark übertrieben.
Kerstin Andreae, die Vorsitzende der BDEW-Hauptgeschäftsführung, betont, dass der Ausbau der öffentlichen Ladeinfrastruktur bereits in vollem Gange sei. Allerdings betrachten Branchenexperten die Ergebnisse der Studie mit Misstrauen. Positiv sei, dass das veraltete Ziel von einer Million Ladepunkten bis 2030 aufgegeben wurde und stattdessen die installierte Ladeleistung als Messgröße herangezogen werde. Problematisch sei jedoch, dass die Studie das im Koalitionsvertrag festgelegte Ziel von 15 Millionen vollelektrischen Pkw bis 2030 revidiere.
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Die Studie geht nur noch von 13,4 Millionen vollelektrischen Pkw aus, wobei andere Experten, wie der Expertenbeirat Klimaschutz im Mobilitätssektor des Bundesverkehrsministeriums, eine noch geringere Zahl von nur 10,5 Millionen E-Fahrzeugen prognostizieren. „Anstatt Maßnahmen zu ergreifen, um das ambitionierte und wichtige 15-Millionen E-Pkw-Ziel zu erreichen, wird nun die Zielvorgabe in Frage gestellt. Dies führt zu weniger Kunden auf dem Lademarkt und erschwert die Erreichung der Klimaziele im Verkehrssektor“, so Andreae.
Darüber hinaus fordert die Studie einen weitaus höheren Bedarf an installierter Ladeleistung, als es die EU in ihrer neuen AFIR-Richtlinie vorsieht. Deutschland solle demnach über 40 Prozent mehr Ladeleistung installieren als von der EU normiert, was einem Plus von 8 Gigawatt – dem Vierfachen des Maximalverbrauchs von Berlin – entspräche. Dies sei überzogen und nur durch staatliche Subventionen oder unwirtschaftliche Vorschriften realisierbar. Die Studie gehe zudem davon aus, dass die Nutzung der Ladesäulen im Vergleich zur EU-Herangehensweise deutlich geringer ausfallen werde.
Ein weiteres großes Problem ist laut Andreae, dass Netzbetreiber ihre Planungen auf Basis der überhöhten Prognosen des Verkehrsministeriums ausrichten müssen. Dies führe zu unnötigen Kosten, die letztendlich von den Verbrauchern getragen werden müssten.
Kundenbefragungen zeigen regelmäßig, dass der hohe Anschaffungspreis für Elektrofahrzeuge, insbesondere im Kleinwagensegment, die größte Hürde für den Umstieg auf Elektromobilität darstellt. „Um das Ziel von 15 Millionen E-Fahrzeugen zu erreichen, benötigen wir dringend erschwinglichere E-Auto-Modelle. Daher ist es höchste Zeit, dass die Bundesregierung eine Strategie entwickelt. Der Expertenbeirat Klimaschutz in der Mobilität (EKM) hat bereits Vorschläge erarbeitet; nun müssen diese in die Praxis umgesetzt werden“, fordert Andreae.