Die deutsche Automobilindustrie steht vor erheblichen Herausforderungen, da sie sich von konventionellen Verbrennungsmotoren wegbewegt. Große Automobilhersteller wie Volkswagen, Mercedes-Benz und BMW sind von wirtschaftlichem Druck betroffen.
Gewinnwarnungen und Sparmaßnahmen bestimmen das Bild, während Zulieferer mit Insolvenzen kämpfen.
Viele Lösungsansätze werden diskutiert, um den Umbruch erfolgreich zu gestalten. Die zentrale Frage ist, welche Strategien langfristig effektiv sein könnten und wie die Branche unterstützt werden kann, um ihre Wettbewerbsfähigkeit zu erhalten.
Was ist die Ausgangslage?
Die Automobilindustrie steht in Deutschland stark im Mittelpunkt, da sie erhebliche Umsätze generiert. Im Jahr 2023 erreichten die Einnahmen von Herstellern und Zulieferern etwa 564 Milliarden Euro.
Das ist beinahe das Doppelte der Umsätze, die die Pharmaindustrie erzielte, obwohl auch die inflationären Auswirkungen zu berücksichtigen sind. Gewinne sind bei den großen Automobilherstellern weiterhin hoch.
Volkswagen erzielte 17,9 Milliarden Euro, während Mercedes-Benz auf 14,5 Milliarden Euro kam, gefolgt von BMW mit 12,2 Milliarden Euro nach Steuern.
Die Margen der Unternehmen gelten als solide, und Berichte zeigen, dass Mercedes-Benz und BMW global zu den profitabelsten Automobilkonzernen zählen. Erwartungen für das laufende Jahr deuten auf einen Rückgang der Gewinne hin, jedoch sehen die Prognosen immer noch Einnahmen nach Steuern von über 10 Milliarden Euro für die großen Hersteller vor.
Auch Zulieferer sind profitabel. Beispielsweise konnte Continental seine Nettogewinne im zweiten Quartal um 50 Prozent im Vergleich zum Vorjahr steigern, obwohl der Umsatz leicht gesunken ist.
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Das klingt doch ganz und gar nicht nach einer Krise…
Die deutsche Automobilbranche ist derzeit nicht in der Krise, sondern steht robust da. Nichtsdestotrotz werden die Herausforderungen spürbar größer.
VW-Chef Oliver Blume hat kürzlich auf drei wesentliche Faktoren hingewiesen, die diesen Gegenwind verursachen.
Erstens, die Branche erlebt einen signifikanten Wandel weg von traditionellen Verbrennungsmotoren hin zu alternativen Antrieben, insbesondere Elektroautos. Dieser Übergang erfordert eine Umstrukturierung, die eine vorausschauende Planung erforderlich macht.
Zweitens stellt der wachsende Wettbewerb aus China eine ernstzunehmende Herausforderung dar. Unternehmen wie BYD und SAIC verzeichnen starke Wachstumsraten und erobern stetig Marktanteile, insbesondere im Bereich der Elektroautos.
Tesla aus den USA erhöht zusätzlich den Druck auf die deutschen Hersteller.
Drittens wirkt sich die allgemeine Wirtschaftsflaute negativ auf den Absatzmarkt aus. Nicht nur Deutschland, sondern auch Märkte in anderen Teilen der Welt, wie China, sind betroffen.
Dies führt weltweit zu einer rückläufigen Nachfrage nach Fahrzeugen.
Die deutsche Autoindustrie ist auf diese Herausforderungen unzureichend vorbereitet. Experten kritisieren, dass die möglichen Versäumnisse der Vergangenheit, insbesondere in den investitionsstarken Jahren zwischen Finanz- und Pandemiekrise, sich nun bemerkbar machen.
Der Ökonom Jens Südekum sieht darin einen mangelnden Weitblick der Branche.
Einige Unternehmen haben bereits den Ernst der Lage erkannt. So zieht Volkswagen Werksschließungen in Deutschland in Betracht.
Andere Zulieferer sehen sich gezwungen, ihr Geschäft einzustellen oder kämpfen mit Existenzängsten, insbesondere jene, die stark von Verbrennungstechnologien abhängig sind. In China ist der Marktanteil deutscher Hersteller geschrumpft.
Im Gegensatz dazu kaufen zunehmend mehr Chinesen Fahrzeuge einheimischer Marken, die ihren Marktanteil innerhalb von vier Jahren von 40 auf 60 Prozent steigern konnten.
Die 10 meistverkauften Autos der Welt
Was lässt sich dagegen tun?
Die Automobilindustrie hat sich für politische Unterstützung ausgesprochen. Der Verband der Automobilindustrie wünscht sich vor allem finanzielle Fördermaßnahmen.
Diese umfassen:
- Infrastrukturausbau: Investitionen in effiziente Transportsysteme
- Energiekosten: Senkung der Strompreise
- Arbeitskosten: Erleichterungen, um Produktionskosten zu senken
Es finden Diskussionen über verschiedene politische Unterstützungsmaßnahmen statt.
1. Eine neue Förderung für Elektrofahrzeuge
Die Diskussion um eine neue Förderung für Elektrofahrzeuge hat an Dynamik gewonnen. Das Ziel ist, mehr Menschen zur Umstellung vom Verbrennungs- auf Elektroantrieb zu motivieren.
Käufer eines Elektro-Neuwagens könnten einen staatlichen Bonus von 6000 Euro erhalten. Für gebrauchte Elektrofahrzeuge könnte der Bonus 3000 Euro betragen.
Darüber hinaus wird für Leasing-Fahrzeuge an einem entsprechenden Modell gearbeitet, um die Umstellung zu fördern.
Einige Wirtschaftsexperten zeigen sich jedoch skeptisch, ob solche Förderungen notwendig sind. Die Kritik kommt vor allem von der Vorstellung, dass diese Prämien vor allem Personen mit höherem Einkommen zugutekommen.
Denn diese können sich den Erwerb eines Elektroautos bereits leisten, während Haushalte mit geringem oder mittlerem Einkommen auch mit einer Kaufprämie vor finanziellen Hürden stehen. Die Anschaffungskosten eines neuen Elektrofahrzeugs liegen häufig über 30.000 Euro, was für viele Haushalte weiterhin unerschwinglich bleibt.
Das Ifo-Institut in München hat in einer Studie aus dem Jahr 2023 ebenfalls Bedenken geäußert. Es argumentiert, dass eine Kaufprämie in einem früheren Marktumfeld sinnvoll war, mittlerweile seien Elektroautos jedoch so etabliert, dass sich der Markt von alleine reguliert.
In Frankreich gibt es ein alternatives Modell. Dort können Menschen mit niedrigerem Einkommen, die eine tägliche Pendlerdistanz von mindestens 15 Kilometern zurücklegen, Elektrofahrzeuge für weniger als 100 Euro pro Monat leasen.
Dieses Modell zielt darauf ab, den Zugang zu umweltfreundlicher Mobilität auch für sozial schwächere Gruppen zu erleichtern.
2. Zusätzliche Abgaben auf chinesische Autos
Jüngst hat die Europäische Union beschlossen, der EU-Kommission die Befugnis zu erteilen, Abgaben auf importierte Elektroautos aus China zu verhängen. Die Entscheidung basierte auf einer knappen Stimmenverteilung der 27 EU-Mitgliedstaaten.
Zehn Länder unterstützten die Maßnahme, während fünf, Deutschland inbegriffen, dagegen votierten. Eine Mehrheit von zwölf Ländern entschied sich zur Enthaltung.
Die geplanten Abgaben, die zwischen 7,8 und 35,3 Prozent betragen könnten, sollen laut einer EU-Untersuchung als Antwort auf unfaire staatliche Zuschüsse fungieren, die von der chinesischen Regierung an ihre Autohersteller vergeben werden. Zuvor war lediglich ein allgemeiner Einfuhrzoll von 10 Prozent erhoben worden.
Die neuen Zölle treten im November in Kraft.
Deutsche Automobilhersteller betrachten diese Maßnahme kritisch. Sie befürchten, dass Reaktionen aus China die Geschäftsbeziehungen belasten könnten.
Zudem würden durch die Abgaben keine Anreize geschaffen, um deren Produktion günstigerer Fahrzeuge für den europäischen Markt zu unterstützen. In einer Stellungnahme erklärte Volkswagen, dass diese Initiativen in die falsche Richtung führen würden.
Der BMW-Geschäftsführer Oliver Zipse warnte ebenfalls, dass zusätzliche Importabgaben eine wirtschaftliche Sackgasse darstellen könnten.
3. Lockerung der CO2-Grenzwerte
Die Debatte um die CO2-Grenzwerte nimmt an Fahrt auf, insbesondere aus der Sicht deutscher Hersteller, die sich in der Transformation hin zu Elektroautos unter Druck fühlen. Die CDU/CSU schlägt eine Verschiebung der Flottengrenzwerte vor, die eigentlich ab dem nächsten Jahr greifen sollen.
Sie möchte auch das geplante EU-Verbot von Verbrennungsmotoren ab 2035 rückgängig machen. Der Kern dieses Vorschlags liegt darin, den Automobilherstellern mehr Zeit zu geben, um ihre Flotten auf emissionsfreie Fahrzeuge umzustellen.
Laut aktuellen Analysen kommen deutsche Hersteller langsamer voran als erwartet. Transport & Environment, eine Lobbyorganisation, hat gezeigt, dass 2023 nur Volvo die CO2-Grenzwerte für 2025 erfüllt.
BMW ist dicht dran, während Volkswagen und Mercedes-Benz noch erhebliche Fortschritte machen müssen, um ihre Ziele zu erreichen.
Der Verband der europäischen Autoindustrie unterstützt den Vorschlag und hat bei der EU beantragt, die neuen CO2-Grenzwerte erst ab 2027 umzusetzen. Auch die FDP plädiert für einen Aufschub um zwei Jahre.
Jan-Christoph Oetjen, ein EU-Abgeordneter, sieht darin eine notwendige Maßnahme zur Stärkung der europäischen Industrie. Laut Oetjen würde der derzeitige Plan den deutschen Wirtschaftsstandort stark belasten.
Trotz des Drängens auf eine Verlängerung sei zu beachten, dass die Grenzwerte bereits 2019 angekündigt wurden, womit den Herstellern eigentlich sechs Jahre zur Anpassung zur Verfügung standen.
4. Erhöhte Investitionen in die Infrastruktur
Staatliche Investitionen in die Infrastruktur könnten nach Meinung vieler Fachleute von zentraler Bedeutung sein, um den Fortschritt zu fördern. Die Zielsetzung der Regierung besteht darin, bis 2030 eine Million öffentliche Ladesäulen in Deutschland zu errichten.
Bisher gibt es jedoch nur ungefähr 112.000 Ladepunkte, und die Umsetzung des Projekts verläuft schleppend. Ein kürzlich beschlossenes Wachstumspaket umfasst das Vorhaben, bis 2026 etwa 9000 Schnellladepunkte an Autobahnen und Hauptstraßen zu realisieren.
Diese Maßnahmen sollen direkt vom Bundesverkehrsministerium umgesetzt werden.
Ein Hauptgrund für die geringe Anzahl an Ladesäulen ist die politische Ebene. Die Vorschriften für den Bau von Ladestationen sind komplex.
Die hohen Kosten schrecken private Investoren ab, wodurch die Preise für Ladestrom in die Höhe getrieben werden. Derzeit liegt der Preis pro Kilowattstunde teilweise zwischen 50 und 90 Cent.
Auch die finanzielle Lage vieler Kommunen ist angespannt, was sie zögern lässt, eigene Ladesäulen zu errichten.
Eine stärkere Präsenz von Ladestationen könnte als Impuls für die Automobilindustrie dienen. In einer Umfrage des letzten Jahres nannten 67 Prozent der Befragten den Mangel an Ladestationen als wichtigen Grund dafür, dass sie bislang kein Elektrofahrzeug erworben haben.
Höhere Preise für E-Autos (72 Prozent) und eine begrenzte Reichweite (70 Prozent) wurden ebenfalls als entscheidend genannt. Während Automobilhersteller an Kostenreduktionen arbeiten – und vor allem in Konkurrenz zu preisgünstigeren chinesischen Modellen stehen – könnte der Staat durch den Ausbau der Ladeinfrastruktur maßgeblich zu einer Marktbelebung beitragen.
Verbesserungen in der Akkutechnologie werden zudem die Reichweite von Elektrofahrzeugen schrittweise erhöhen und bei einem dichten Netz von Ladestationen weniger Gewicht haben.
Investitionen in die Ladeinfrastruktur sind also ein vielversprechender Ansatz, um sowohl die Verbreitung von Elektrofahrzeugen zu fördern als auch die allgemeine Akzeptanz der Elektromobilität in der Bevölkerung zu steigern.