Die Diskussion um das Verbrenner-Verbot ab 2035 sorgt pünktlich zur Europawahl für Aufsehen, insbesondere innerhalb der deutschen Parteienlandschaft. Einige Parteien stellen plötzlich das Verbot infrage, was Unsicherheit und Angst auslöst.
Experten wurden gefragt, ob das Verbot ein effektives Mittel ist oder nur ein politisches Manöver darstellt. Die zentralen Fragen sind, ob das geplante Verbot tatsächlich zum Klimaschutz beiträgt oder ob es andere Wege gibt, um den Verkehr nachhaltiger zu gestalten.
Es wäre wichtig zu kommunizieren, dass Benzinpreise steigen werden
Es gibt Pläne, den Übergang zu Elektrofahrzeugen bis 2050 voranzutreiben. Dies zielt darauf ab, die Klimaziele der EU zu unterstützen. Dies bedeutet nicht, dass ab 2035 das Fahren mit Verbrennern vollständig verboten wird, sondern es soll den Wechsel der Fahrzeugflotten fördern. Dies ist ein erheblicher Schritt zur Reduzierung von Emissionen und zur Förderung nachhaltiger Mobilität.
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Über den Experten
Felix Creutzig ist Verkehrsforscher und Professor an der Technischen Universität Berlin. Er spielt eine wichtige Rolle im Expertenbeirat des Verkehrsministeriums für Klimaschutz in der Mobilität. Darüber hinaus forscht er am Mercator Research Institute on Global Commons and Climate Change (MCC), wo er sich intensiv mit nachhaltiger Verkehrspolitik auseinandersetzt. Creutzig ist zudem Mitautor des sechsten IPCC-Berichtes.
Die Diskussion um das Verbot von Verbrennungsmotoren hat viele Facetten. Felix Creutzig weist darauf hin, dass die Autoindustrie bereits auf Elektrofahrzeuge umstellt und deutsche Unternehmen Gefahr laufen, den internationalen Anschluss zu verlieren, wenn sie bei der Transformation zögern. Eine Rücknahme des Verbots könnte als negatives Signal wirken und Unsicherheit bei den Verbraucherinnen und Verbrauchern erzeugen.
Ein Phase-Out von Benzin- und Dieselfahrzeugen ist, so Creutzig, ein sinnvoller Schritt. Dies gilt besonders in Verbindung mit dem europäischen Emissionshandel ETS2. Wichtig ist dabei, klar zu kommunizieren, dass die Benzinpreise in Zukunft steigen werden, damit die Verbraucher entsprechend planen können.
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Brüssel und Berlin sind nicht agil genug
Hildegard Müller betont die Bedeutung der klimaneutralen Mobilität und den Beitrag der deutschen Automobilindustrie mit hohen Investitionen und Innovationen.
Über die Expertin
Hildegard Müller ist die Präsidentin des Verbandes der Automobilindustrie. Vor ihrer jetzigen Position stand sie an der Spitze des Bundesverbandes der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW). Von 2005 bis 2008 war sie Staatsministerin unter Bundeskanzlerin Angela Merkel. Sie ist Mitglied der CDU.
Müller setzt sich stark für die Elektrifizierung der Antriebe ein und sieht darin den Hauptbeitrag zum Klimaschutz. Sie betont die Notwendigkeit globaler Lösungen und technologische Offenheit, um das Ziel der Klimaneutralität zu erreichen. Besonders in unterschiedlichen Regionen fordert sie vielfältige Ansätze. Auch die Zukunft des Verbrennungsmotors wird von ihr unter diesem Aspekt betrachtet.
Ein besonderes Anliegen ist ihr, dass die politischen Aufgaben zur Zielerreichung des Klimaschutzes erfüllt werden. Dies schließt den Ausbau der Netzkapazitäten, den Aufbau einer adäquaten Ladeinfrastruktur sowie den Zugang zu günstiger Energie und notwendigen Rohstoffen ein. Sie kritisiert, dass Brüssel und Berlin in diesen Bereichen nicht strategisch und agil genug agieren.
Die Notwendigkeit eines klaren Monitorings und flexibler Anpassungsmechanismen zur Erreichung der Klimaneutralität unterstreicht Müller seit Beginn der Diskussionen über den Green Deal. Sie fordert eine ehrliche Analyse der aktuellen Situation und ein realistisches, pragmatisches Vorgehen.
Positionen und Forderungen:
- Elektrifizierung der Antriebe
- Globale und technologisch offene Lösungen
- Aufbau von Ladeinfrastruktur
- Zugang zu Rohstoffen und günstiger Energie
Frühere Positionen:
- Präsidentin, Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW)
- Staatsministerin, Bundesregierung Angela Merkel
Je länger der Wandel hinausgezögert wird, desto teurer wird es
Damit die Verkehrswende und das Erreichen der Klimaziele gelingen, müssen ab 2035 nur noch emissionsfreie Fahrzeuge neu zugelassen werden. Fahrzeuge verbleiben durchschnittlich 15 Jahre auf den Straßen, und bis 2050 strebt Europa Klimaneutralität an. Die EU hat daher beschlossen, die Flottengrenzwerte für Pkw schrittweise bis 2035 auf null zu senken.
Dies garantiert Investitions- und Planungssicherheit für alle beteiligten Akteure. Unverzügliches Handeln minimiert langfristige Kosten und fördert nachhaltigen Fortschritt.
Über die Expertin
Wiebke Zimmer ist stellvertretende Direktorin von Agora Verkehrswende und Mitglied des Expertenbeirats Klimaschutz in der Mobilität (EKM) des Bundesverkehrsministeriums. Ihre Tätigkeit konzentriert sich auf die Förderung der Elektromobilität und die Umstellung auf 100 Prozent erneuerbare Energien bis 2035.
Die Industrie signalisiert, dass sie unter den aktuellen Rahmenbedingungen effektiv arbeiten kann. Besonders für Pkw und leichte Nutzfahrzeuge ist die batterieelektrische Technologie entscheidend, um Klimaneutralität effizient und kostengünstig zu erreichen.
Um die Klimaziele im Verkehrssektor zu erreichen, muss jede Lockerung der EU-Flottengrenzwerte für Pkw gut durchdacht werden. Der Schutz von Leben, Gesundheit und natürlichen Lebensgrundlagen ist verfassungs- und völkerrechtlich garantiert, und die schnelle Transformation zur Elektromobilität ist dabei entscheidend.
Je länger die Transformation hinausgezögert wird, desto teurer und schwieriger wird es, die Klimaziele zu erreichen. Emissionsintensive Fahrzeuge, die nach 2035 neu auf den Markt kommen, belasten die Klimabilanz des Verkehrssektors für Jahre. Szenarien und wissenschaftliche Gutachten zeigen, dass die Elektromobilität dabei eine zentrale Rolle spielt.
Die Politik muss verhindern, dass der Verkehrssektor Mehremissionen produziert. Ein Zögern bei der Transformation führt zu größeren Schwierigkeiten, da andere Sektoren den Rückstand nicht ausgleichen können. Das Bremsen bei den Klimazielen im Verkehr hat hohe Kosten für Gesellschaft und Industrie.
Zimmer betont die Notwendigkeit und den Fortschritt der Umstellung auf erneuerbare Energien. Eine klare Strategie und die Unterstützung der Industrie sind dafür unerlässlich. Effiziente und nachhaltige Mobilität bleibt das langfristige Ziel.
Ohne Verbrenner-Verbot würde sich ein typisch deutscher Weg fortsetzen
Andreas Knie betont, dass ein Neuzulassungsverbot für Fahrzeuge mit Verbrennungsmotoren ein eindeutiges Signal für die konsequente Fortsetzung der Transformation der Autoindustrie wäre. Um die Pariser Klimaziele zu erreichen, braucht es weniger Autos und diese müssen überwiegend batterieelektrisch betrieben werden.
Über den Experten
Andreas Knie ist ein erfahrener Sozialwissenschaftler, der am Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung gGmbH (WZB) tätig ist und eine Professur für Soziologie an der Technischen Universität Berlin innehat. Er leitet die Forschungsgruppe „Digitale Mobilität und gesellschaftliche Differenzierung“ am WZB.
Knie hat deutlich gemacht, wie gravierend die Rücknahme des Verbrennerverbotes wäre. Er meint, dass eine solche Rücknahme ein Signal wäre, dass die politischen Akteure nicht an ihre eigenen Klimaziele glauben. Dies könnte zahlreiche Klagen nach sich ziehen, da auch das Bundesverfassungsgericht höhere Anstrengungen zur Erreichung der Klimaziele fordert.
Es zeigt sich ein typisches Muster in der deutschen Industriepolitik. Man hält an alten Technologien fest, um Arbeitsplätze zu sichern, obwohl diese Versuche oft scheitern und zu hohen Kosten durch fehlgeleitete Subventionen führen.
Fortschrittliche Kräfte in der Automobilindustrie brauchen klare Rahmenbedingungen. Ständige Änderungen und Verwässerungen dieser Bedingungen verhindern die Durchsetzung neuer Technologien. Klarheit und Beständigkeit sind entscheidend, um technologische Entwicklungen zu fördern.
Festhalten an sterbender Technik wird die deutsche Branche nicht retten
Hans-Peter Kleebinder betont, dass die derzeitige Diskussion weniger auf fairen und faktenbasierten Argumenten beruht, sondern eher auf kurzfristigen, durchsichtigen Wahlkampagnen basiert. Diese kurzfristigen Versprechen sollen Wählerstimmen auf Kosten nachhaltiger Langzeitziele und der Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Automobilindustrie gewinnen.
Das Ende des Verbrennungsmotors ist unerlässlich für eine nachhaltige Mobilität. Die Transformation der Antriebstechnologie ist ein zentraler Baustein der Verkehrswende, zusammen mit der besseren Auslastung durch Sharing-Konzepte und automatisierte Mobilität. Ohne diesen Dreiklang kann der Verkehrssektor keinen Beitrag zur Erreichung der Klimaziele leisten. Ein Rückschritt würde die notwendige Veränderung in Frage stellen und Folgen für andere Sektoren wie Energie und Ernährung haben.
Deutschland läuft Gefahr, von anderen Regionen abgehängt zu werden. Es wird als Geisterfahrer im Bereich der Verkehrswende wahrgenommen und verliert seine Wettbewerbsfähigkeit in der Automobil- und Zuliefererindustrie. Deutsche Automobilhersteller müssen dringend darauf achten, nicht den Anschluss an Konkurrenten aus China und den USA zu verlieren. BYD und Tesla produzierten 2023 mehr Elektroautos als alle europäischen Automobilhersteller zusammen. Protektionismus und das Festhalten an veralteter Technologie werden die Branche in Deutschland nicht retten.
Über den Experten
Dr. Hans-Peter Kleebinder ist ein führender Mobilitätsexperte, spezialisiert auf Smart Mobility, Smart Cities und Smart Data. Als Studienleiter des Executive Programms „SMART Mobility Management“ an der Universität St. Gallen bringt er seine umfangreiche Erfahrung in die Ausbildung zukünftiger Führungskräfte ein. Zudem wirkt er als wissenschaftlicher Fachbeirat im Bundesverband eMobilität e.V., wo er innovative Konzepte und zukunftsweisende Lösungen im Bereich der Elektromobilität unterstützt.
Qualifikationen in Kürze:
- Spezialisierungen: Smart Mobility, Smart Cities, Smart Data
- Position: Studienleiter, Universität St. Gallen
- Funktion: Wissenschaftlicher Fachbeirat, Bundesverband eMobilität e.V.
Er trägt maßgeblich dazu bei, eine faktenbasierte Diskussion über nachhaltige Mobilität voranzutreiben und neue Technologien zur Verbesserung urbaner Lebensräume zu integrieren. Durch seine Arbeit fördert er aktiv den Wissenstransfer zwischen Forschung, Industrie und Politik.